Beschreibung
Verfahren für
mittelgroße bis große Fließgewässer
Unsere Fließgewässer wurden in der Vergangenheit ausschließlich nutzenorientiert und mit gravierenden
ökologischen Folgen systematisch begradigt, eingeengt und verbaut. Heute sind in Folge von Uferverbau,
Laufbegradigung, Einengung, Abflussbeschleunigung und Tiefenerosion die Habitate der aquatischen Organismen
deutlich verändert oder fehlen gänzlich, die für die jeweiligen ökologischen Bedingungen der
verschiedenen Gewässertypen charakteristisch sind und als Indikatoren des „guten ökologischen Zustands“
gelten. Das natürliche Zusammenspiel zwischen Abflussregime, Gewässermorphologie, Sedimenthaushalt
und Ausuferungsvermögen ist weitgehend aus dem typspezifisch dynamischen Gleichgewicht
geraten und kann in vielen Fällen nur wiederhergestellt werden, wenn den Gewässern angemessen Platz
zurückgegeben wird. Bei der Wiederherstellung dieser hydromorphologischen Bedingungen zur Erreichung
der gesetzlich vorgegebenen ökologischen Bewirtschaftungsziele handelt es sich um eine Generationenaufgabe,
die nach Trinkwasserversorgung, Abwasserbeseitigung und Gewässerreinhaltung als vierte
große Aufgabe der Wasserwirtschaft bezeichnet werden kann.
Die vorliegende überarbeitete Verfahrensempfehlung „Gewässerstrukturkartierung – Verfahren für mittelgroße
bis große Fließgewässer“ der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) ermöglicht zusammen
mit der überarbeiteten Verfahrensempfehlung für kleine bis mittelgroße Fließgewässer (LAWA 2019)
eine vollständige Strukturkartierung vom kleinen Bach bis zum großen Strom. Die überarbeitete Verfahrensempfehlung
basiert auf den Erfahrungen und dem Erkenntnisgewinn aus der zwanzigjährigen praktischen
Anwendung des Verfahrens zur morphologischen Bewertung von Fließgewässern, das Mitte der 1990er
Jahre entwickelt wurde. Für die Bundeswasserstraßen sind darüber hinaus bezüglich der Parameter
„Sohle“ und „Substrat“ Erkenntnisse aus dem Valmorph-Verfahren der Bundesanstalt für Gewässerkunde
(BfG) in die vorliegende Überarbeitung eingeflossen.
Die gemäß der vorliegenden Verfahrensempfehlung erhobene und bewertete Gewässerstruktur ist als Planungs-
und Entscheidungsgrundlage wesentliche Voraussetzung, um z. B. den guten ökologischen Gewässerzustand
gemäß europäischer Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) in Deutschland erreichen zu
können. Die Gewässerstrukturkartierung hat insbesondere folgende konkrete Bedeutungen:
- Erfassung, Bewertung und Dokumentation des aktuellen morphologischen Zustandes
- Formulierung von morphologischen Vorhaben, die generell oder im Einzelfall anzustreben
oder zu sichern sind
- Basis für die Einschätzung der signifikanten hydromorphologischen Veränderungen
einschließlich
der Ausweisungsprüfung von erheblich veränderten Wasserkörpern
- Bewertung des ökologischen Zustands (bzw. Potenzials) der Oberflächengewässer im Sinne
der EG-WRRL als Grundlage für die Ermittlung des weiterhin bestehenden Handlungsbedarfs
- Festlegung von für die Oberflächenwasserkörper jeweils repräsentative Messstellen
- Ermittlung von naturnahen Fließgewässerabschnitten mit positiver Wirkung auf
benachbarte strukturell beeinträchtigte Gewässerstrecken (Strahlursprünge und
Trittsteine)
- Bewertung von geplanten Wasserbaumaßnahmen, Gewässerunterhaltungsmaßnahmen sowie
von Eingriffen und Kompensationsmaßnahmen
- Erfolgskontrolle und Effizienznachweis von ausgeführten Maßnahmen zur naturnahen
Entwicklung der Fließgewässer